Horizon Forbidden West im Test: Ein gigantisches Zero Dawn

Bildquelle: Sony

Horizon Forbidden West empfängt neue Spieler mit einer Zusammenfassung der Geschehnisse des ersten Teils Zero Dawn und auch Aloys großes Geheimnis wird hierbei gelüftet. Damit entfällt die Notwendigkeit, den Vorgänger und dessen Story vorab spielen zu müssen, doch wer sich den größten Story-Plot-Twist aus Horizon Zero Dawn nicht verderben möchte, der sollte vorab unbedingt den Vorgänger nachholen. 

Ich freute mich besonders darauf, Aloy als nunmehr erfahrene Kriegerin zu steuern, doch die Vorfreude währte nur kurz: Das neue Spiel von Guerrilla Games startet wieder einmal behäbig und behält dieses gemächliche Tempo für einige Stunden bei.

Aller Anfang ist langsam

Statt die Open-World zu genießen, muss ich mit Schlauchlevels vorliebnehmen und ein Tutorial nach dem anderen über mich ergehen lassen. Aloy darf nun an mehr Felsen entlang klettern, doch viele Bereiche bleiben Sperrgebiet. Somit malträtiert man pausenlos die R3-Taste (Scanner), um genau jene Bereiche anzuzeigen, die angesprungen werden können oder besser: Man schaltet in den Spieleinstellungen manuell die Option ein, dass kletterbare Bereiche stets angezeigt werden. Doch selbst dann ergeben sich seltsame Spielsituationen, in denen sich Aloy weigert, banale Höhenunterschiede zu meistern. Neu ist ein Enterhaken, über den Aloy Geröll aus dem Weg räumt, Zugänge öffnet oder Plattformen verschiebt. Doch ob ich interaktive Elemente beeinflussen darf, ist strikt vorgegeben und oftmals muss ich diese über die Scanner-Funktion zunächst einmal markiert haben. Viele Rätsel im Spiel verlangen die strikte Einhaltung der vorgegebenen Reihenfolge: Wenn ich zu früh auf die Lösung komme, aber bestimmte Abläufe und Dialoge noch nicht abgespult wurden, bleibt mir die Lösung verwehrt. Apropos verwehrt: Auch der Kletterhaken, mit dem Aloy schnell an Höhe gewinnen kann, ist nur limitiert einsetzbar – ein spezielles Icon informiert, ob die neue Funktion genutzt werden darf oder nicht. Immerhin spielt sich Forbidden West in Summe dynamischer als der Vorgänger und ist der Gleitschirm freigespielt und wurden neue Spezialattacken erlernt, lassen sich Kämpfe zunehmend abwechslungsreicher bestreiten. Der direkte Weg (stärkste Munition auf Schwachpunkte abfeuern) bleibt in Summe aber die schnellste Variante, um Feinde zu besiegen.

Das Wetter perlt an mir ab 

Horizon Forbidden West ist das perfekte Spiel, um über die Screenshot-Taste Postkartenmotive zu erstellen: Auf schneebedeckten Bergen, tropischen Inseln oder in den Überresten der vermutlich bekanntesten Wüstenstadt der Welt blicke ich auf spektakuläre Panoramen, die ich am liebsten als XXL-Poster ausdrucken möchte. Doch wie schon in Horizon Zero Dawn bleibt die Interaktion des Spiels hinter den Schauwerten zurück. Viele Elemente der Spielwelt reagieren nicht auf Aktionen des Spielers und Wettereinflüsse oder unterschiedliche Umgebungen sind meist nur tolle Kulisse. Somit stapfe ich in luftigster Sommerkleidung durch den dicksten Schnee, das Zittern Aloys ist dabei nur eine unbedeutende Animation und obwohl es in Gesprächen teilweise dramatisch um Leben und Tod geht, muss ich trotz minimaler Stoffbedeckung keine Minusgrade fürchten. Spiele wie Zelda Breath of the Wild sind weit davon entfernt realistisch zu sein, doch bieten sie zumindest einen spielerischen Umgang mit Umwelteinflüssen sowie kreative Physikspielereien, die in Forbidden West leider weiterhin fehlen. Immerhin fühlt sich Forbidden West weniger steril als Zero Dawn an: Pflanzen „wippen“ nun häufiger auf und ab, wenn Aloy hindurch schreitet und ausgetretene Pfade lassen die virtuelle Jagd nachvollziehbarer erscheinen.

Kämpfen in Zeitlupe

Forbidden West ist kein auf Geschwindigkeit optimiertes Action-Spiel. Die Nahkampfangriffe sind auch im neuen Teil vorwiegend als Kombo-Ergänzung anzusehen und klassische defensive Manöver sind weiterhin Mangelware. Die Ausweichrolle deckt zwar einen großen Aktionsspielraum ab, doch die zahlreichen Explosionsgeschossen der Gegner treffen Aloy meist verzögert und in einem zu großen Radius. In den Kämpfen kommt deshalb kein richtiges Duell-Feeling auf. In Forbidden West wollen die Fernkampfwaffen erst einmal gespannt werden und Roboterdinos lassen sich am besten in Superzeitlupe anvisieren. Wichtige Teile sollten zudem vor dem Bezwingen des Gegners abgeschossen werden, denn nur so erhalten Sie wertvolle Beute für Upgrades. Durch den Einsatz des Scanners können Sie sich die Einzelteile der Robotergegner anzeigen lassen, doch mindert dies abermals die Spielgeschwindigkeit. Durch das ständige Anvisieren mit dem verbundenen minimalen Blickfeld kann ich im Kampf nicht nachvollziehen, was um mich herum passiert, sodass ich tödliche Treffer meist nur deshalb kassiere, weil ich die Geschosse und Gegner nicht kommen sehe. Zudem heben sich vor allem menschliche Gegner nur ungenügend vom Hintergrund ab. Insgesamt ist Horizon Forbidden West trotz der vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeit eines der unübersichtlichsten Action-Games, die ich in der letzten Zeit gespielt habe – hier fehlt es oftmals an einer visuellen Klarheit und die Kamera ist zu dicht am Geschehen. Ein großes Lob verdient Forbidden West für die Einstellungen der Barrierefreiheit, denn dahinter verbergen sich sämtliche Einstellungen, die den Schwierigkeitsgrad enorm beeinflussen. Über die Option „einfache Beute“ erhalten Sie beispielsweise wichtige Items von Gegnern, ohne dass gezielte Schüsse auf Einzelteile notwendig sind. Dennoch müssen Sie weiterhin darauf achten, einige Schwachpunkte der Gegner nicht zu beschädigen, denn auch in diesem Fall können wichtige Items verloren gehen. Die Einstellungen zur Barrierefreiheit können sogar mitten im Kampf getätigt werden, was selbst die schwierigsten Herausforderungen einfacher gestaltet oder umgekehrt, schwache Gegner zu einer schweißtreibenden Angelegenheit werden lässt. Zugleich zeigen die unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen die Problematik des Level-Up-Systems auf: Die Umschaltung auf einen geringen Schwierigkeitsgrad bewirkt in Summe mehr, als Aloy binnen 40 Spielstunden von Level 1 auf Level 50 hochzustufen.

Die echte Freiheit kommt sehr spät 

Horizon Forbidden West startet erst dann im Volltempo durch, wenn sich die Kampagne dem Ende neigt. Plötzlich erhalte ich Zugriff auf wirklich spannende Waffen, die das Gameplay noch einmal beflügeln und das Wichtigste: Ich darf diese Welt frei erkunden. In den ersten 20 Spielstunden wird meine Neugier meist dadurch ausgebremst, weil wichtige Ausrüstungsgegenstände noch nicht vorhanden sind: Tauchgänge in vertrackten Höhlen werden zur sicheren Todesfalle und auffällige rote Pflanzen versperren den Weg zu Geheimnissen. In Horizon Forbidden West kann es 5, 10 oder gar 20 Stunden dauern, bis ich alles zusammen habe, um diese Welt nach Lust und Laune zu erforschen. Und die künstlichen Barrieren, die den Fortschritt von Forbidden West ausbremsen, werden gekonnt ausgenutzt, um die zahlreichen Sprung- und Knobelpassagen so umständlich wie nur möglich zu gestalten. Aloy ist in der Lage, wenn es vorgesehen ist, einen 3 Meter Luftsprung durchzuführen, nur um kurz darauf an einem 2 Meter Hindernis zu versagen. Nicht die Fähigkeiten Aloys oder meine Fähigkeiten am Controller bestimmen den Fortschritt, sondern das exakte Nachspielen des vorprogrammierten Layouts. Also ziehe und staple ich Kisten, suche nach dem einen wichtigen Vorsprung und wiederhole langwierige Kletterpassagen, wenn sich Aloy nicht wie gewünscht im Sprung verhält und stattdessen ganz nach unten plumpst. Viele Elemente erinnern mich an klassische Tomb-Raider-Level, die ich ähnlicher Form schon auf der Playstation 1 gespielt habe.

Zerstreuung gesucht?

Horizon Forbidden West präsentieret eine gigantische Welt. Die Jagd nach Maschinenteilen strapaziert die Freizeit ebenso wie Rennen, Arena-Kämpfe, überraschend motivierende Brettspiele, Suchaufgaben und nicht zuletzt die eigene Neugier: Die Karte ist vollgestopft mit Frage- und Ausrufezeichen und Quests sowie Schätze sind allgegenwärtig. Damit schlagen Guerrilla Games den typischen Ubisoft-Open-World-Weg ein: Mehr Landmasse, mehr Nebenaufgaben, mehr Items usw. strecken die Spielzeit im Vergleich zu Horizon Dawn deutlich. Und auch das Spurensuchen nach Vorbild von The Witcher darf hier nicht fehlen. Ein potentielles Problem zeigt sich beim Belohnungssystem: Selbst wenn Aloy die maximale Stufe 50 erreicht hat, enorm viele Quests erledigt und zahllose Kämpfe bestritten wurden, sind lediglich die Hälfte von Aloys Fertigkeitsverbesserungen zu diesem Zeitpunkt freigespielt. Ähnlich verhält es sich mit den Maschinenteilen: Der Kauf neuer Waffen und Rüstungen wird meist durch das Fehlen von banalen Einzelteilen verhindert (Stichwort: Tierhäute), die sich auch über Händler nicht immer problemlos beschaffen lassen. Um Frust zu vermeiden, ist es meist ratsamer, den Gameplayablauf auf den Kopf zu stellen: Statt die Dinoroboter zufällig zu besiegen, ist es meist zielführender, bei Händlern zunächst das Angebot zu überprüfen und dann per Tastendruck genau die Stellen auf der Karte zu markieren, an denen sich die benötigten Einzelteile erjagen lassen. Da Horizon Forbidden West häufig ein Gedrückthalten der R3-Taste voraussetzt, um die Umgebung nach Hinweisen zu scannen, ergibt sich ein insgesamt unrunder Spielablauf. Einige besonders langsame NPCs zwingen Aloy dazu, im Schneckentempo durch das Areal zu wandern oder bei Gesprächen ist es mir untersagt, wichtige Schalter zu drücken. Eine (glücklicherweise) sehr kurze Stealth-Einlage erfordert die vorgeschriebene Tasteneingabe, sonst wird Aloy zum Anfangspunkt der Szene zurückversetzt. Einige Arena-Kämpfe bestehen nur aus vorgegebenen Tastenkombos: Diese werden zwar eingeblendet, sind aber häufig nicht genau genug erklärt und in unserer Testversion wurde in einem Kampf statt der R1- die R2-Taste eingeblendet, was regelmäßig in einem Fehlschlag und im Neustart des Arena-Kampfes mündete. Da Aloy wie im Vorgänger jeden unwichtigen Aspekt dieser Spielwelt in Selbstgesprächen kommentiert und die Sprungpassagen vergleichsweise hakelig ablaufen können, ist Forbidden West nicht immer ein Abenteuer, das man in vollen Zügen genießt. Zudem plagen Forbidden West die typischen Open-World-Bugs: Neben drei kompletten Systemabstürzen konnten wir Quests teilweise nicht beenden, da NPCs und Gegner in der Umgebung feststeckten oder Aloy durch Wände ins Nichts fiel. Meist reicht es aus, den letzten Spielstand zu laden, doch für Platin-Trophäen-Jäger könnten vereinzelte Bugs ein ärgerliches Problem darstellen. In unserem Fall konnten wir beispielsweise die Banditenlager nicht abschließen, da ein Anführer eines Lagers in der Umgebung feststeckte und deshalb unbesiegbar war. Nach dem Neuladen des Spielstandes verschwand der Anführer auf Nimmerwiedersehen und das Lager lässt sich nicht abschließend befreien – eine frustrierende Situation, bei der nur ein kompletter Neustart des Spiels helfen würde. Und doch finden sich immer wieder Momente, die das Weiterspielen fördern. Allen voran die abwechslungsreichen Szenarien.

Land, Wasser, Luft 

In Forbidden West ist es bereits nach kurzer Zeit möglich, nicht nur auf Aloys Beinkraft zu setzen, sondern sich ein Reittier zu schnappen und damit größere Entfernungen schneller zu überbrücken. Die Möglichkeiten die Robotertiere zu übernehmen, wurden stark ausgebaut, doch wir möchten Ihnen an dieser Stelle die Überraschung nicht verderben. Dass auch mit PS5 ein seltsames Ein- und Ausblenden der Spielwelt während unseres Tests auftrat, sobald unsichtbare Arealgrenzen durchschritten wurden, lässt sich über die Installation des Day-1-Patches nahezu vollständig ausmerzen, sodass die kurzen Schwarzphasen Seltenheitswert besitzen. Noch flinker gelangt Aloy über das Schnellreisesystem zum gewünschten Ort: An Feuerstellen darf Aloy kostenlos zu bereits besuchten Punkten auf der Weltkarte reisen, alternativ klappt die Schnellreise auch unterwegs, kostet dann aber ein Schnellreisepaket. Um dieses und andere Items herzustellen, sind meist nur wenige Bausteine notwendig und per Digikreuz ausgewählt lassen sich diese in Windeseile herstellen. Dank PS5-Power fallen die Ladezeiten beim Ortswechsel erfrischend kurz aus und beim Spannen des Bogens kommt dank haptischen Tastenfeedback ein richtig gutes Spielgefühl auf – selbst der Lautsprecher des Controllers wird ordentlich gefordert. Die größte spielerische Freiheit winkt, wenn Sie sich dem Ende der Kampagne nähern. Plötzlich ist es möglich, umständliche Gameplay-Passagen komplett zu umgehen und die Erforschung der riesigen Spielwelt wird befreiend zelebriert. Bereits einige Spielstunden zuvor erhalten Sie ein weiteres spielentscheidendes Item, mit dem Aloy unbegrenzt durch die opulenten Wasserwelten des Spiels tauchen kann. Ist die reine Landmasse in Forbidden West schon gigantisch, so wecken die riesigen Unterwasserareale erneut die Neugier, diese Welt zu erkunden.

PS4-Grafik auf PS5 flüssiger

Die grafische Qualität der für PS4 erstellten Grafikengine Decima ist einmal mehr ein Augenschmaus, doch so überragend wie in Sonys Gameplaytrailern flimmert Horizon Forbidden West selbst auf PS5 leider nicht über den Bildschirm: Nach dem ersten Ankündigungsvideo und „Gameplay“-Trailer habe ich mir etwas mehr von der PS5-Version versprochen, doch das fertige Spiel kann dieses Qualitätslevel nicht halten. Der größte Mehrwert, Forbidden West auf einer PS5 abzuspielen, ist neben der tollen Einbindung des Dualsense-Controllers und den blitzschnellen Ladezeiten die ruckelfreie 60-FPS-Wiedergabe. Alternativ bietet der Grafikmodus mit PS5 eine knackscharfe 4K-Optik und etwas hübschere Details, doch wer flüssige Kameraschwenks und eine optimale Spielbarkeit beim Anvisieren mit dem Bogen bevorzugt, der sollte in den Performance-Modus umschalten. Dass es sich hierbei um einen PS4-Titel handelt, erkennt man besonders an den langsam nachladenden Details: Teilweise bauen sich Strukturen und Personen direkt vor Aloy auf oder die Bodentexturen laden selbst in den Zwischensequenzen verzögert nach. Auch hier bringt der Day-1-Patch deutliche Verbesserungen, wenngleich die Grafikqualität im Spiel immer noch stark schwankt. In einigen Arealen ist der Grafikaufbau kaum noch erkennbar, während besonders an den Küstenregionen die Fauna und Flora meist wenige Meter vor Aloy zum Leben erweckt wird oder einzelne Objekte sogar erst Sekunden später nachgeladen werden. Somit werden Guerrilla Games noch zahlreiche Patches nachliefern müssen, um neben den Gameplay-Bugs auch die Grafikfehler des Spiels zu minimieren. Forbidden West kann aber schon jetzt wunderschöne Panoramen und Gefechte auf den Bildschirm zaubern und gerade das Auge für die ganz kleinen Details beeindruckt: Jeder Roboterdino ist in verschwenderischer Detailpracht modelliert, Guerrilla Games haben diesmal noch viel mehr unterschiedliche Modelle als im Vorgänger erstellt und Aloys Rüstungen sowie Waffen würden auch in einem virtuellen Museum Eindruck schinden. Doch während des Gameplays und innerhalb der Gespräche schwankt die Grafikqualität genauso stark wie die Beleuchtung im Spiel: Licht- und Schatteneffekte wechseln teilweise ruckartig und nicht selten stört eine Unterbelichtung des Bildes. Aloys Augen neigen in Gesprächen zum Schielen und die Charakteranimationen, die in einem Moment noch Uncharted-Niveau erreicht haben, vermitteln wenige Sekunden später den Eindruck der Augsburger Puppenkiste.

Krieg der Welten

Aufgrund von potentiellen Spoilern ist es an dieser Stelle nicht möglich, unsere Kritikpunkte hinsichtlich der Hintergrundgeschichte beim echten Namen zu nennen. Allerdings tappt Forbidden West in die berühmte Matrix-Reloaded-Falle. Diskussionen um Computerprogramme sind meist nicht greifbar und die neuen Gegenspieler könnten direkt aus einem Matrix- oder Superheldenfilm entliehen sein. Ein Charakter erinnerte mich wiederum frappierend an den nervigen Programmierer aus dem ersten Jurassic Park. In selbst ablaufenden Zwischensequenzen sehe ich später Szenen, die mich an die Wakanda-Schlacht aus Avengers Infinity War erinnert und die gezeigten Figuren könnten genauso gut Thor, Captain America, Hulk, Hawkeye, Iron Man und Black Widow lauten. Sobald man Aloy wieder selbst steuern kann, ist dieser Bombast auch schon vorbei. Aloys neue Gegenspieler sind meist übertrieben cool und nur vordergründig mächtig, weshalb sie meist keine ernsthafte Bedrohung darstellen. Die in der Qualität stark schwankende deutsche Synchro, die das ganze Spektrum zwischen filmreif und unfreiwillig komisch abdeckt, kann die schwachen Momente in den Story-Sequenzen noch einmal zusätzlich verstärken. In diesem Zusammenhang ist es besonders schade, dass Aloys wichtigster „Gegenspieler“ aus Zero Dawn in Forbidden West viel zu wenig Screentime spendiert bekommt, denn dieser steckt mit einem einzigen Grinsen sämtliche neuen Gegenspieler in die Tasche. Die größte Bedrohung, der Aloy je entgegenstand, ist lediglich ein Ausblick auf Teil 3: Forbidden West ist ein inhaltlicher Lückenfüller, um Zero Dawn und den voraussichtlich ersten PS5-exklusiven Teil miteinander zu verbinden. Die meiste Freude bereiteten mir vereinzelte Nebenquests, die ganz geerdete und persönliche Geschichten erzählen. Dennoch ärgere ich mich über die inkonsequente Beachtung von kleinen Details innerhalb dieser Spielwelt. Wenn Aloy beispielsweise betrauert, dass die Welt stirbt und ein toter Fuchs symbolträchtig in Großaufnahme im Bild auftaucht, dann erscheint es lächerlich, dass ich in den nächsten 60 Spielstunden hunderte Füchse mit Pfeil und Bogen erjage, um Upgrades mit Fuchsfellen herzustellen. Ghost of Tsushima hat gezeigt, wie sich Tiere sinnvoller in den Spielablauf integrieren lassen und Spiele wie God of War lassen mich immer wieder staunen, wenn Story- und Gameplayszenen nahtlos ineinander übergehen. In Forbidden West klafft meist eine große Lücke zwischen den Zwischen- und Gameplaysequenzen und in meinen Augen kann Guerrilla Games zukünftig gern auf den melodramatischen Unterbau in den Zwischensequenzen verzichten, wenn das Gameplay des Spiels nach einer ganz anderen Logik funktioniert. 

Eine schöne Aussicht

Ganz weit oben über den Bergen überblicke ich mit Aloy eine riesige Welt. Endlich darf ich diese frei und unbekümmert bereisen und die nervigsten Passagen des Spiels hinter mir lassen. Nach einer Spielzeit von mehr als 60 Stunden sind die größten Mysterien dieser Spielwelt gelüftet und obwohl ich die Kampagne in knapp 20 Stunden beenden konnte, waren weitere 40+ Spielstunden notwendig, um jeden Stein dieser gigantischen Spielwelt umzukrempeln. Doch ich bin mir sicher: Irgendwo da draußen lauern noch weitere Geheimnisse, die es wert sind, entdeckt zu werden. Am Ende meiner Reise hatte ich deutlich mehr Spaß mit Forbidden West als zu Beginn des Abenteuers. Guerrilla Games haben mit diesem Spiel einen typischen Nachfolger abgeliefert: Etwas aufgehübscht und stark vergrößert, aber nicht grundlegend neu durchdacht. Somit erreicht Horizon Forbidden West in meinen Augen noch nicht das Niveau eines God of War, Zelda Breath of the Wild, Monster Hunter World oder Dark Souls. Zugleich hatte ich mit fokussierteren Games wie Control und Ghost of Tsushima in den letzten Jahren mehr Spielspaß. Doch Horizon Forbidden West wildert ungeniert in all den Bereichen, in denen sich Games wie Assassin’s Creed und Tomb Raider etabliert haben und eignet sich damit bestens, um sehr viel Zeit totzuschlagen. Da in Forbidden West immer stärkere Mass-Effect-Einflüsse erkennbar sind und sich sympathische Charaktere sogar häuslich in Aloys Basis einrichten, regt ein potentieller dritter Teil von Horizon schon jetzt zum Träumen an. Liebes Team von Guerrilla Games: Greift nach den Sternen!

Christian Trozinski