Sonys exklusive Playstation-Spielereihe Ratchet & Clank ist so etwas wie das trojanische Pferd im hauseigenen Portfolio: Von vielen Spielern aufgrund des kindlichen Looks unterschätzt, reichen die Titel immer mehr an Animationsfilme heran. Zugleich ist die Mischung aus Action und Humor absolut familientauglich. Kurzum: Würden Microsoft und Nintendo zusammen an einem Actionspiel arbeiten, würde vermutlich so etwas wie „Ratchet & Clank“ dabei herauskommen.
„Rift Apart“ ist das neuste Kapitel der „Ratchet Clank“-Spielereihe, die im PS2-Zeitalter ihren Einstand feierte und als Remake sogar auf PS4 begeisterte. Als PS5-exklusiver Sommerblockbuster soll „Rift Apart“ die Hardware der PS5 in vollen Zügen fordern und eine PS4-Umsetzung soll es laut den Machern in dieser Form nicht geben.
Wie weit in Echtzeit berechnete Videospielgrafiken mittlerweile gekommen sind, erkennt man vor allem in den Zwischensequenzen: Waren diese im PS4-Spiel „Ratchet & Clank“ noch reine Videosequenzen, so werden sie in „Rift Apart“ in Echzeit und somit je nach Grafikeinstellung butterweich mit 60 FPS abgespielt. Das gesamte Team, das sich bei Insomniac Games um die Animationen und Grafikeffekte gekümmert hat, darf sich voller Stolz auf die Schultern klopfen: In den besten Momenten schindet „Ratchet & Clank: Rift Apart“ ordentlich Eindruck und vermittelt eine Produktionsqualität, wie sie derzeit nur von ganz wenigen Studios hervorgebracht wird. Auch der neue Star des Spiels, Rivet, ist wunderbar ins Ratchet-Universum integriert und Clank-Fans dürfen sich ebenfalls auf einen passenden Gegenpart freuen.
Die Hintergrundgeschichte um Rivet ist bis zum Spielende ein tragendes Element, sodass Ratchet diesmal eine weniger wichtige Rolle als in den vergangenen Teilen einnimmt. Clank bekommt ebenfalls weniger Screentime, aber einmal mehr sein eigenes Bonuslevel spendiert, das an beste Psygnosis-Lemmings-Zeiten erinnert.
Viele Spielelemente und Waffenentwicklungen wurden hingegen aus den Vorgängern entnommen, sodass sich Ratchet-Fans auf die gewohnt vielseitigen Ballereinlagen freuen dürfen. Wie gehabt sammeln Sie fleißig Items, um neue Waffen zu kaufen und zu verbessern. Der stetige Kampf mit der gleichen Waffe erhöht das jeweilige Waffenlevel und neben der Energieleiste des Charakters steigt damit im Laufe des Spiels die Durchschlagskraft, um die Feinde noch schneller wegzupusten.
Damit kein Frust beim Story-Wechsel zwischen Ratchet und Rivet aufkommt, greifen beide Charaktere auf sämtliche erspielten Verbesserungen zurück. Leider bedeutet dies auch, dass sich Ratchet und Rivet identisch spielen und sich somit nicht spürbar voneinander unterscheiden. Ähnlich verhält es sich mit den Rüstungssets: Deren Vorteile sind nicht an die jeweils getragenen Teile gebunden, sondern stehen global zur Verfügung.
Dash, dash, peng!
Durch die gesteigerte Rechenleistung der Playstation 5 nimmt das Chaos auf dem Bildschirm nun noch dramatischere Züge an: Teilweise kann man im ganzen Effektgewitter kaum noch die Figuren erkennen. Je nach Grafikeinstellung wartet „Rift Apart“ mit besonders schicken Grafikeffekten oder einer flüssigeren Darstellung mit 60 FPS auf. Komplexes Raytracing ist nur vereinzelt zu erkennen, beispielsweise auf der blank polierten Metalloberfläche von Clank und gläsernen Oberflächen, die die Levelarchitektur spiegeln.
Bei den zahlreichen bunten Lichteffekten bleibt der Raytracing-Effekt hingegen häufig außen vor, sodass bunte Projektile meist keine spektakulären Reflexionen auf die Umgebung werfen. Was „Rift Apart“ dem Vorgänger voraushat, ist Geschwindigkeit: Durch einen Dash lassen sich Ratchet und Rivet nun noch dynamischer in Kämpfen steuern und es dauert nicht lang, bis Sie mit Raketenschuhen blitzschnell durch die Level fegen.
Auch das Intro des Spiels begeistert, auch wenn die gesamte Sequenz bereits von Sony selbst präsentiert wurde: Auf den serientypischen Metallbahnen rauschen Sie nicht nur durch ein riesiges Levelareal, sondern werden durch Portale binnen Sekunden in andere Welten gezogen und riesige Tiere tauchen plötzlich vor Ihnen auf. Die Portalmechanik beschränkt sich im Spiel aber allzu häufig auf eine vergleichsweise unspektakuläre Mechanik: Sie können sich zum Portalpunkt heranziehen, anstatt den Weg zu Fuß zurückzulegen.
An das Spektakel der Anfangsminuten reicht „Rift Apart“ zu unserer großen Überraschung bis zum Spielende nicht mehr heran. Meist ist der Weltensprung nur eine nette Zugabe, die innerhalb fast vollständig automatisch ablaufender Actionszenen eingebettet ist, um diese noch eindrucksvoller erscheinen zu lassen. Die wenigen Höhepunkte, die dieses Element ausnutzen, beschränken sich z.B. auf den Kampf gegen einen Titanen oder eine Weltraummine, in der Sie zwei Welten parallel bereisen.
Gerade hier zeigt sich, wie gut „Rift Apart“ hätte werden können: Unterschiedliche Grafikstile und Gravitations-Gameplayelemente wechseln sich stetig ab. Als Highlight präsentiert das Spiel eine Szene, die als Verneigung vor dem „Alien“-Franchise verstanden werden darf. Wenn „Rift Apart“ zur Hochform aufläuft, ist es genau der PS5-Blockbuster, den man sich erhofft hat, doch leider kann das Gesamtwerk diese Qualität nicht halten.
Auf und ab
Insomniac Games liefern ein unglaubliches Pensum ab: mit „Spider-Man: Miles Morales“ wurde PS5-Besitzern der Konsolen-Launch versüßt, danach wurde der PS4-Vorgänger auf PS5-Niveau gepatcht und nun steht mit „Ratchet & Clank: Rift Apart“ bereits der nächste vollwertige PS5-Exklusivtitel in den Regalen. Doch während unserer Spielsessions merkte man dem Titel den scheinbaren Zeitdruck deutlich an: Bugs wie nicht spawnende oder fehlgeleitete Gegner und komplette Abstürze waren gerade in den ersten Spielstunden unser Begleiter, doch laut den Machern soll ein Day-1-Patch zum Release des Spiels diese Fehler ausmerzen. Was sich allerdings nicht ändern wird, sind die kleinen und großen Gameplay-Nachteile im Vergleich zum PS4-Spiel.
Unser größter Kritikpunkt: „Rift Apart“ vermittelt in den Zwischensequenzen und durch die vollgestopften und kilometerweit reichenden Hintergründe einen epischen Ersteindruck, dem das Spiel leider nicht gerecht wird. Dies beginnt bereits beim Anflug auf die Planeten: Wählte man im PS4-Spiel einfach den nächsten Ort aus und landete an einer bestimmten Stelle, so suggeriert der PS5-Titel durch eine zusätzliche Anflugsequenz stets eine gigantische Spielwelt. Die spielbaren Areale sind im Vergleich aber geradezu winzig und einige abwechslungsreiche Elemente des PS4-Spiels fehlen komplett.
Seltsame Einschränkungen
Konnte man im Remake von „Ratchet & Clank“ auf der PS4 noch ins Wasser abtauchen oder per Jet-Pak durch einzelne Level fliegen und XXL-Areale nach Lust und Laune nach Geheimnissen abgrasen, so setzen die Welten in „Rift Apart“ bis auf wenige Ausnahmen enge Grenzen. Bei keinem anderen aktuellen Spiel sind wir derart häufig in den Abgrund gesprungen, weil wir angenommen haben, dass es sich dabei um ein scheinbar erreichbares Ziel handelt. Doch welches Grafikelement begehbar ist und welches nicht, erfährt man in „Rift Apart“ häufig erst nach dem Ableben. Auch harmlose Elemente wie die Vordächer von einzelnen Shops können dazu führen, dass die Charaktere sekundenlang in der Luft schweben, da ein Absprung von solchen Elementen nicht vorgesehen ist. Dadurch entsteht ein seltsames Spielgefühl und statt die Level auf freie Hand erkunden zu wollen, studiert man häufiger die Karte und wählt den direkten Weg zum nächsten Punkt.
Auch die Sprungpassagen erscheinen umständlicher: In „Ratchet & Clank“ auf PS4 schrammt Ratchet einfach an Wänden entlang, was es beispielsweise ermöglicht, sehr einfach um Objekte herum zu springen. In „Rift Apart“ wurde ein neues Animationssystem eingeführt und die Charaktere haften fast schon magnetisch an Oberflächen (nicht zu verwechseln mit den neuen Wall-Runs an vorgegebenen Stellen). Das klingt wie ein Fortschritt, nervt aber gewaltig, wenn man in einer Fabrik an Containern vorbei springen möchte. Stattdessen haftet der Charakter kurz an Objekten und springt in Folge eventuell in die falsche Richtung ab.
Die extremsten Qualitätsunterschiede bemerkt man beim Leveldesign: Das PS4-Spiel bietet einen wunderbar abwechslungsreichen Gampeplay-Loop und man hat stets das Gefühl, interessante Charaktere auf einer echten Weltraumreise zu treffen. In „Rift Apart“ ist von Anfang an alles auf den Gegenspieler ausgerichtet und das gesamte Spiel spult routiniert eine Schnitzeljagd nach einem wichtigen Objekt ab.
Die Schalterrätsel des Vorgängers, die das Baller-Allerlei abwechslungsreich gestalteten, sind nun einem weiteren reinen Baller-Minispiel gewichen und einige der lustigsten Waffen des Vorgängers werden Sie in „Rift Apart“ erst zu Gesicht bekommen, wenn Sie den zweiten Spieldurchlauf starten. Die große Stärke sind natürlich einmal mehr die Kämpfe: Vor allem eine Kampfarena mit Rivet hat es uns angetan, doch die höchste Goldstufe zeigt einmal mehr, wie seltsam uninspiriert dieses PS5-Spiel aufgebaut ist: Der Endkampf ist lediglich ein Mischmasch aus den niedrigeren Arena-Stufen und keine neue Spielerfahrung. Dieses Problem zieht sich bis zum Schluss durch das gesamte Spiel: Je weiter man voranschreitet, desto häufiger durchlebt man Situationen, die es so 1:1 bereits zur Genüge gab.
Ein halber Sommer-Blockbuster
Dass die Rift-Mechanik nach dem Spieleinstieg viel zu selten Anwendung findet, die richtig spektakulären Szenen meist automatisch ablaufen, eine eigentlich gute „Panzer Dragoon“-Sequenz weit unter den Möglichkeiten bleibt und der Gegenpart von Clank nicht als Gameplay-Highlight eingebunden wird, enttäuscht selbst dann, wenn man den Machern aufgrund eines möglichen Release-Zeitdrucks keine direkten Vorwürfe machen möchte. Der Humor des PS4-Remakes bleibt in „Rift Apart“ oftmals auf der Strecke und Serienikone Captain Qwark lockert das Geschehen nur noch in wenigen Szenen zu Beginn und gegen Ende auf. Stattdessen steht kinoreifer Bombast wie in einem aktuellen „Star Wars“-Film im Vordergrund. Kreative Ansätze, die das Spielgeschehen auflockern, haben wir im Test häufig vermisst: Wie toll wäre es beispielsweise gewesen, statt Zwischensequenzen beim Anflug auf die Planeten zu Gesicht zu bekommen, echtes Gameplay genießen zu können. Das Shiny-Entertainment-Kleinod MDK mit seinen Actionsequenzen im freien Fall hätte die perfekte Blaupause sein können, um einen spannenden Start ins nächste Level zu ermöglichen. Stattdessen spult „Rift Apart“ allseits bekannte Mechanismen ab und zelebriert die wichtigsten Momente in Zwischensequenzen oder fast gänzlich automatisch ablaufenden Sequenzen.
Und auch der grafische Glanz des Spiels bröckelt mit fortlaufender Spieldauer, denn die meisten Areale lassen sich mit den Worten: Stein, Metall und Dunkelheit zusammenfassen. Die Wasser-, Feuer- und Lavaeffekte gehören zudem zum grafisch Schwächsten, was wir im noch jungen Next-Gen-Spielzeitalter bislang gesehen haben. Die bessere Jump’n’Run-Alternative zu „Rift Apart“ ist weiterhin kostenlos auf jeder PS5 vorinstalliert: „Astro’s Playroom“ zeigt das liebevollere Leveldesign, die präzisere Steuerung und das beeindruckendere haptische Feedback über den Dualsense-Controller. Das jüngst erschienene „Returnal“ trumpft hingegen mit den intensiveren Ballereinlagen auf.
Nachdem wir „Rift Apart“ beendet, erneut im neuen Spiel+ gestartet und das PS4-Remake des ersten Teils noch einmal komplett durchgespielt haben, schlagen zwei Herzen in unserer Brust: „Rift Apart“ ist ein kurzweiliger und sympathischer Weltraumtrip geworden, der durch Wiederholungen an Länge, aber nicht an Qualität gewinnt. Das bessere „Ratchet & Clank“-Feeling bietet weiterhin das Remake des ersten Teils auf PS4. Wir würden Ratchet und Rivet gern auf PS5 wiedersehen, doch beim nächsten Mal mit mehr Abwechslung und Finesse beim Spielablauf und hoffentlich mehr Entwicklungszeit für Insomniac Games.