HDR- und HDMI-Special (5/5): HDR muss ein Qualitätsversprechen sein

Bildquelle: Auerbach Verlag

Der Reiz, auf neue Videotechnik umzusteigen, hängt maßgeblich davon ab, ob das „Neue“ eine sichtbar bessere Bildqualität liefert als das bislang genutzte „Alte“. Mit HDR steht seit einigen Jahren ein neuer Bildstandard im Fokus, der auf dem Papier dramatische Verbesserungen verspricht. Damit diese in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden können, ist aber weitaus mehr notwendig, als den HDR-Standard nur unterstützen zu wollen: HDR muss ein Qualitätsversprechen darstellen.

Wie schnell ein neuer Bildstandard in wirtschaftliche Ungnade fallen kann, hat das Thema 3D gezeigt: Gerade, als 4K-OLED-TVs mit Polfilter eine nahezu perfekte 3D-Qualität lieferten und die 3D-Blu-ray-Verkäufe anzogen, verschwand der 3D-Standard praktisch über Nacht von der Bildfläche. Ende 2015 sagten wir leise Goodbye und erlebten mit dem Panasonic TX-65CZW954 das schönste 3D-Erlebnis aller Zeiten. Wenige Monate später bekamen 3D-Fans im Jahr 2016 noch einmal die allerletzte Chance und konnten mit LG OLED-TVs der Serie 6 in unverschämt plastische 3D-Welten abtauchen. Doch während 3D eine Bruchlandung hinlegte, machte sich zur gleichen Zeit ein neuer Standard auf, Geschichte schreiben zu wollen: High Dynamic Range, kurz HDR.

Das Thema HDR hat uns rückblickend seit dem Beginn des HDTV Magazins im Jahr 2005 beschäftigt. Auslöser war die Wiedergabe von der Herr der Ringe in einer bis dato nicht für möglich gehaltenen Farbhelligkeit: Gandalfs Kampf gegen den Balrog zeigte ein gleißend helles Lichtspektakel nahe der Wahrnehnumgsschwelle und Schmerzgrenze. Hinter diesem Spektakel stand das kanadische Unternehmen Brightside, dessen LCD-Prototyp mit Hochleistungs-LED-Beleuchtung über Jahre hinweg alles andere in den Schatten stellen sollte. Das Modell Brightside DR37 legte die Grundlage für das, was wir heute als HDR-Standard kennen, doch erst die Übernahme durch Dolby, die Weiterentwicklung zum Dolby HDR Monitor und die Etablierung eines HDR-Bildstandards sollte für den echten Durchbruch sorgen. Der Name Dolby ist seitdem durch HDR und Dolby Vision in aller Munde, doch auch die Entwickler von Brightside fanden später Genugtuung, indem sie für den Dolby HDR-Monitor ausgezeichnet wurden. Dass man dieses Profisegment nicht mit Consumer-TV-Maßstäben vergleichen kann, zeigen die technischen Daten: Im nunmehr fast 10 Jahre alten Full-HD-Dolby-Monitor kamen mehr 4000 LEDs zum Einsatz, die auf einem kostspieligen RGB-LED-Raster aufbauten. Schon das Gewicht des 42-Zoll-Monitors von mehr als 60 Kilogramm und die Energieaufnahme von mehr als 500 Watt im HDR-Modus zeigten: Wer 12 Bit HDR-Signale kompromisslos anzeigen will, muss bereit sein, extreme Wege einzuschlagen. Doch wie sollte man im Consumer-TV-Markt und zu vernünftigen Preisen auch nur Annäherungsweise eine derartige Leistung erreichen?

In den letzten 6 Jahren sorgte vor allem die OLED-Display-Technologie für einen Durchbruch des HDR-Standards im Wohnzimmer: Consumer-OLEDs erreichen zwar nicht eine hohe HDR-RGB-Farblichtleistung, bieten aber zahlreiche Vorteile im Vergleich zu LEDs und eine deutlich höhere Lichtleistung als beispielsweise Plasma-TVs. Gerade die Bildbereiche zwischen 0 und 100 Nits machen auch im HDR-Zeitalter den Großteil der Bildinformationen aus und diesen Bereich decken OLED-TVs selbst bei vollflächiger Beanspruchung tadellos ab. Die Grenze ist erst dann erreicht, wenn wir über HDR-Lichter oder vollflächig enorm helle und bunte Bildinhalte sprechen: Hier arbeiten OLED-Fernseher mit gebremsten Schaum. Während die OLED-Technik in den letzten 6 Jahren eine echte Konstante bei der HDR-Wiedergabe im Wohnzimmer darstellte, so entsprach die LED-LCD-Weiterentwicklung einer Berg- und Talfahrt. Highlights, wie Panasonics DXW904, Samsungs QLED-LCD-Einstieg 2015 oder Sonys ZD9 und später ZG9 wurden regelmäßig durch eine gegenläufige Entwicklungen überschattet: Die meisten LED-LCDs zeigten immer weniger Dimming-Zonen und eine geringere Maximalhelligkeit. Stattdessen wurden Full-HD-Displays vorschnell durch 4K-Nachfolger ersetzt und seit 24 Monaten ist im LCD-Segment das Thema 8K in aller Munde, obwohl es weiterhin an echten 8K-Inhalten mangelt. Technisch gesehen ist die Umstellung auf eine höhere Bildauflösung ein Nachteil für die HDR-Performance mit LED-LCDs: Da das Licht der Leuchtdioden durch den LC-Filter dringen muss, bedeutet eine vierfach höhere Auflösung aufgrund der notwendigen Pixelansteuerung (Leiterbahnen, Transistoren) einen schlechteren Lichtdurchlass. Die meisten 8K-LED-LCDs zeigen deshalb nicht hellere Bilder als die besten 4K-LED-LCDs, verbrauchen dafür aber deutlich mehr Energie, da das Backlight stärker arbeiten muss, um die Nachteile aufseiten der Lichtdurchlässigkeit auszugleichen. Mehr Energie bedeutet zugleich mehr Abwärme, doch Consumer-TVs sollen möglichts schlank und kompakt ausfallen. Zusammen mit immer strikteren Energieeffizienzauflagen (der nächste „Öko-Hammer“ folgt bereits 2021 durch das neue Energieeffizienzlogo) und einem Preisverfall bei 4K-LCDs stehen TV-Hersteller vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe: LCD-Premium-Preise lassen sich nur noch mit 8K-TVs erzielen und je höher der Aufwand beim LED-Backlight, desto teurer und energiehungriger fällt der HDR-Fernseher aus. Welche Gigantomanie für eine echte HDR4000-Wiedergabe notwendig ist, zeigte Sony 2019 mit dem 85ZG9: Eine bessere HDR-Wiedergabe mit mehr als 3000 Nits haben wir seitdem nicht wieder gesehen und obwohl dieser Fernseher die HDR-Bilder einer PS5 nahezu kompromisslos in Farblichtleistung umzusetzen vermag, dürfte es kaum jemanden geben, der dieses Spektakel im Jahr 2020 nachvollziehen kann. Somit sind alle Augen auf das gerichtet, was 2021 folgt: Mini-LED-LCD.

Mit dem TCL X10 konnten wir den ersten LED-LCD mit Mini-LED-Hintergrundbeleuchtung testen und auch wenn technisch noch nicht alles rundlief, überzeugten bereits zwei Dinge: Trotz des ultraflachen Displays erreichte der X10 eine RGB-Farblichtleistung von mehr als 1500 Nits und die Abwärme war deutlich geringer als bei einer klassischen LED-Beleuchtung. Mini-LEDs als Hintergrundbeleuchtung lösen damit zwei Probleme bisheriger LED-LCDs: Die LCD-Fernseher können deutlich flacher gebaut werden und Energieeffizienz und Abwärme fallen wohnzimmertauglicher aus. Vorteile hinsichtlich der Bildqualität ergeben sich durch ein Mini-LED-Backlight jedoch nicht automatisch. Da eine Mini-LED einen deutlich geringeren Bereich als eine klassische LED abdeckt, sind im 65 Zoll TCL X10 mehr als 15000 Mini-LEDs notwendig, um die Bildfläche vernünftig auszuleuchten. Für eine homogene Bildausleuchtung ist es zudem zwingend notwendig, dass die Leuchtdioden nach strengen Qualitätsrichtlinien gerfertigt werden und hinsichtlich der Lichtstreuung mittels Filter ist Präzision gefordert: Am Ende können Millimeter über die Bildqualität entscheiden. Angesteuert werden die Local-Dimming-Felder bislang nur in etwas mehr als 750 Dimming-Zonen und die Abstimmung von LCD und LED-Beleuchtung ist weiterhin der alles entscheidende Faktor: Häufig reagieren die Dimming-Zonen zu träge auf Lichtwechsel und schalten Sie in den reaktionsschnellen Spielmodus um, sinkt die Local-Dimming-Performance rapide, um den Input-Lag so gering wie möglich zu halten. Somit können wir uns 2021 zwar auf eine voraussichtlich deutlich leistungsstärkere LED-LCD-Generation freuen, doch ob das bestmögliche HDR-Qualitätsniveau auch im Spielmodus erreicht werden wird, bleibt abzuwarten.

Nicht nur für TV-Hersteller stellt HDR eine enorme Herausforderung dar, sondern auch für Inhalteproduzenten. Nicht selten erblicken Sie in der Praxis einen SDR-Dynamikumfang eingebettet in einem HDR-Signalcontainer, anstatt ein durchdachtes und präzise gemastertes HDR-Bild zu bestaunen. Auch Abstimmungsfehler zwischen HDR-Quelle und -Display können dafür sorgen, dass die HDR-Bildqualität trotz bester Hardware nicht wie gewünscht ausfällt. Apropos gewünscht: Viele Videospieler reizen die Einstellungen ihres LC-Displays bereits im SDR-Modus bis zum Maximum aus, was deutlich zu helle und bunte Bilder erzeugt. Die Umstellung auf HDR wird im Vergleich als dunkel und flau wahrgenommen. Damit HDR überzeugt, ist nicht nur ein fehlerfreier HDR-Bildabgleich Grundvoraussetzung, sondern auch eine präzise SDR-Voreinstellung, denn nur so lassen sich beide Bildstandards korrekt miteinander vergleichen.

Ob HDR auch im Massenmarkt der Durchruch gelingt, der beispielsweise 3D verwehrt geblieben ist, vermögen wir derzeit noch nicht zu sagen, doch nahezu jeder moderne Fernseher unterstützt HDR, mit Playstation und Xbox stehen HDR-Quellen in millionenfacher Anzahl in den Wohnungen und auch für Streaming-Anbieter ist HDR mittlerweile Alltag. Dass die angelieferten Signale dabei nur selten das tatsächliche HDR-Spektrum auszreizen und die meisten Fernseher schlichtweg nicht in der Lage sind, den HDR-Kontrastumfang inklusive farbiger Lichter in voller Dynamik wiederzugeben, lässt sich auch fünf Jahre nach der HDR10-Einführung nicht wegdiskutieren. Dennoch stellt HDR ein lohnenswertes Ziel dar, das die Verkäufe neuer TV-Technologien und Inhalte maßgeblich antreibt.

Die Neuveröffentlichung der Herr der Ringe Trilogie ist hierbei ein gutes Beispiel: Die meisten Filmfans werden sich die DVD- und Blu-ray-Fassungen bereits gekauft haben, doch der Reiz, das Abenteuer in HDR-Qualität noch einmal zu durchleben, dürfte auch die 4K UHD Blu-ray zum Verkaufsschlager machen. Gerade wenn Themen wie native 4K-Auflösung im Film- und Gaming-Sektor immer stärker in den Hintergrund rücken und Sie häufig „nur“ ein Upscaling von 2K erblicken, stellt HDR der wichtigste Qualitätsfaktor bei der Next-Gen-Bildwiedergabe dar: Bessere Bilddynamik, Farbqualität und Durchzeichnung können selbst altbekannte Inhalte in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Da HDR aber kein Selbstläufer ist und in allen Produktionsbereichen ein Höchstmaß an Qualität erfordert, bleibt abzuwarten, ob wir in den nächsten 5 Jahren ein Display im Wohnzimmer erblicken werden, das selbst die extremsten HDR-Signale nahezu verlustfrei umzusetzen vermag. Doch vielleicht ist es die größte Stärke von HDR, dass wir das gedachte Ideal niemals erreichen werden, sondern uns stattdessen jedes Jahr aufs Neue ausmalen, wie es denn wäre, HDR-Signale zukünftig in perfekter Qualität bestaunen zu können.